Notfallkommunikation mit Meshtastic

Gemeinde Am Mellensee setzt auf autarkes Mesh-Netzwerk

Ein Katastrophenszenario: Strom weg. Internet tot. Kein Mobilfunk.
Wie sollen Feuerwehr, Verwaltung oder Bürgerinnen und Bürger dann noch miteinander kommunizieren?

Diese Frage stand im Mittelpunkt der großen Katastrophenschutzübung am 27. September 2025 in der Gemeinde Am Mellensee (Landkreis Teltow-Fläming).
Gemeinsam mit TJK-Solutions entstand dort ein System, das genau für diesen Fall entwickelt wurde:
Ein autarkes, textbasiertes Kommunikationsnetz auf Basis von Meshtastic.

Beitrag von Seeed studio hier ->

Was ist Meshtastic – und warum ist es so besonders?

Meshtastic ist eine Open-Source-Technologie, mit der Geräte untereinander Textnachrichten über Funk (LoRa – 868 MHz) austauschen können – ganz ohne Mobilfunk oder Internet.

Jedes Gerät kann dabei Nachrichten empfangen, speichern und an das nächste Gerät weiterleiten. So entsteht ein sogenanntes „Mesh-Netz“, das sich selbst organisiert und weiterträgt, solange Strom und Funkverbindung vorhanden sind.

Das bedeutet:

Auch wenn ein Ortsteil keinen Strom oder kein Netz mehr hat, kann über Meshtastic weiterhin kommuniziert werden – dezentral, robust und stromsparend.

Die Ausgangslage in Am Mellensee

Vom Land Brandenburg erhielt der Landkreis Teltow-Fläming Fördermittel für sogenannte Katastrophenschutz-Leuchttürme (KatS-Lt.).

Diese sind darauf ausgelegt, im Ernstfall etwa 1 % der Bevölkerung mit Strom, Wärme, Wasser, Internet und medizinischer Erstversorgung zu versorgen.

Die Gemeinde Am Mellensee verfügt über neun Ortsteile – doch nur einer davon bekam einen solchen Leuchtturm: die Mehrzweckhalle in Mellensee.

Die übrigen acht Ortsteile wären im Krisenfall auf sich allein gestellt gewesen.

Deshalb entwickelte die Gemeinde ein eigenes, dezentrales Kommunikationskonzept:

In jedem Ortsteil entstand ein Katastrophenschutz-Informationspunkt (KatS-Ip) – meist in Schulen oder Bürgerhäusern. Dort sollen Bürgerinnen und Bürger Informationen erhalten, Notrufe absetzen und Hilfe koordinieren können.

Die Kommunikation zwischen diesen Punkten übernimmt: Meshtastic.

Katastrophenschutz-Informationspunkt Saalow in Am Mellensee
Gemeinde Am Mellensee Mehrzweckhalle Katastrophenschutz Leuchtturm

Zwei Wege – ein Ziel: Kommunikation sichern

Das neue System kombiniert zwei unabhängige Kanäle:

  • PMR-Digitalfunk für Sprache

  • Meshtastic für sichere, textbasierte Kommunikation

Damit sind sowohl Sprechfunk als auch digitale Datenübertragung gewährleistet – selbst bei einem Blackout.

Katastrophenschutz-Informationspunkt Saalow in Am Mellensee
Gemeinde Am Mellensee Mehrzweckhalle Katastrophenschutz Leuchtturm

Aufbau & Technik

Die technische Umsetzung übernahm TJK-Solutions, die das gesamte Mesh-Netz konzipierte, plante und installierte.

Zum Einsatz kamen Geräte, die sich in der Praxis als besonders geeignet erwiesen:

  • SenseCAP Solar Node P1-Pro – autarke Router mit Solarbetrieb für dauerhaften Außeneinsatz

  • LILYGO T-Deck Plus – handliche Endgeräte für die Verwaltungshelfer mit Display & Tastatur

  • Heltec V3 LoRa Boards – stationäre Einheiten für Verwaltungsstab und Feuerwehr

Die Geräte wurden an strategisch günstigen Punkten montiert – vom Feuerwehr-Schlauchturm bis zum Dach des Bürgerhauses.

Ein lokales Dashboard überwacht in Echtzeit die Telemetrie-Werte wie Akkustand oder Signalqualität, um Störungen sofort zu erkennen.

„Uns war wichtig, dass das Netz völlig autark arbeitet – ohne Cloud, ohne Internet, einfach robust,“

erklärt Tom Krüger, Gründer von TJK-Solutions.

Schulung & Einsatz

Ehrenamtliche Verwaltungshelfer wurden durch TJK-Solutions intensiv geschult.

Über ihre T-Deck-Geräte können sie Nachrichten, Positionsdaten oder Notrufe direkt an den Verwaltungsstab und die Feuerwehr-Befehlsstelle senden.

Die Bedienung ist bewusst einfach gehalten – wer schon einmal ein Blackberry genutzt hat, findet sich schnell zurecht.

Die große Katastrophenschutzübung

Am 27. September 2025 wurde es ernst: Nach monatelanger Vorbereitung startete in der Gemeinde Am Mellensee die große Katastrophenschutzübung des Landkreises Teltow-Fläming. Zwischen 11:00 und 16:00 Uhr trainierten über 350 Einsatzkräfte und freiwillige Helfer den Ernstfall – ein Szenario, das realistischer kaum sein konnte.

Die angenommene Ausgangslage: Eine langanhaltende Dürre- und Hitzeperiode hatte die Region ausgetrocknet.

Die Infrastruktur brach schrittweise zusammen – zuerst die Wasserversorgung, dann der Strom, schließlich Telefon und Internet.

In dieser Situation wurde der Verwaltungsstab der Gemeinde aktiviert, alle Feuerwehrwachen besetzt und die lokale Feuerwehr-Befehlsstelle in Betrieb genommen.

Um die Lage zu bewältigen, kamen zahlreiche Organisationen zusammen:

Feuerwehr-Einheiten aus mehreren Ortsteilen,

das Technische Hilfswerk (THW),

die Rettungshundestaffel der Johanniter,

Polizei und Katastrophenschutzfahrzeuge,

sowie Fachkräfte der Versorgungsbetriebe für Strom, Wasser und Internet.

Über den Tag verteilt galt es, mehrere komplexe Einsatzlagen zu meistern:

  • eine Bootskollision auf dem Mellensee,

  • ein Gebäudebrand mit Personenrettung,

  • ein Baum auf einer Hochspannungsleitung,

  • ein Bombenfund mit Evakuierung,

  • und sogar eine Tierrettung bei extremer Hitze.

„Diese Übung war nicht nur realitätsnah, sie hat auch gezeigt, wie schnell im Krisenfall mehrere Ereignisse gleichzeitig auftreten – und wie entscheidend Kommunikation dann wird“,

fasst Tom Krüger von TJK-Solutions zusammen.

Gerade in dieser Phase bewährte sich das neue Meshtastic-Netz.

Während vielerorts klassische Kommunikationswege ausfielen, konnten die Katastrophenschutz-Informationspunkte weiterhin miteinander und mit dem Verwaltungsstab in Verbindung bleiben.

Zwar gab es anfangs technische Herausforderungen – an einem Standort kamen Nachrichten nicht an, im Verwaltungsstab fiel ein USB-Adapter aus – doch das Netz blieb stabil und funktionierte nach kurzer Optimierung fehlerfrei.

„Die Übung hat uns gezeigt, dass wir mit Meshtastic auf dem richtigen Weg sind – das System hat unter realen Bedingungen standgehalten“,

so das Fazit der Einsatzleitung.

Nächste Schritte

Im Verwaltungsstab soll künftig eine Eingabemaske-Software entwickelt werden, um standardisierte Nachrichten mit wenigen Klicks zu versenden.

So können Einsatzmeldungen oder Statusberichte schneller, sicherer und einheitlicher übertragen werden.

Parallel wird das Netzwerk weiter ausgebaut:

Ziel ist es, das Mesh über den gesamten Landkreis Teltow-Fläming hinweg zu erweitern – bis zur Kreisstadt Luckenwalde.

Das Dashboard soll künftig noch detailliertere Analysen bieten und Wartungsarbeiten automatisch vorschlagen.

Fazit

Was in Am Mellensee begann, zeigt, wie moderne Technik den Katastrophenschutz revolutionieren kann.

Mit Meshtastic entsteht ein robustes, dezentrales Kommunikationsnetz, das unabhängig von Mobilfunk, Internet und zentraler Infrastruktur funktioniert.

Ein Beispiel dafür, wie Innovation, Ehrenamt und Digitalisierung gemeinsam echte Sicherheit schaffen können – und wie aus einer kleinen Gemeinde ein Vorbild für viele werden kann.

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